Page 4 - Daimler BKK Geschäftsbericht 2020
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4 VORWORT
 Benjamin Plocher, Vorstand der Daimler BKK
Eine Lehre aus der Pandemie:
die Digitalisierung des Gesundheits- wesens konsequent vorantreiben
Es ist fast überflüssig zu erwähnen, dass das Geschäftsjahr 2020 auch bei uns wei- testgehend von der Coronapandemie und ihren zahlreichen Auswirkungen geprägt war. Zum Schutz unserer Beschäftigten und Kund*innen haben wir unsere gesamte Organisation auf mobiles Arbeiten umge- stellt. Dabei half uns, dass nahezu alle unsere Verwaltungsprozesse bereits digital abgebildet sind. Unsere Kundencenter hatten geschlossen, also haben wir unsere Erreichbarkeit über andere Kontaktkanäle
Vorwort
sichergestellt. Dies alles ist uns praktisch „über Nacht“ sehr gut gelungen, wie uns unsere Kund*innen bestätigt haben. Im Hinblick auf die politischen Auswirkungen der Pandemie hatten wir unzählige Corona- verordnungen des Bundes und der Länder umzusetzen. Zum Beispiel verkürzte Zah- lungsfristen für Krankenhausrechnungen zur Sicherstellung ihrer Liquidität, die Ausgabe von kostenlosen Maskengutscheinen an besonders gefährdete Personengruppen oder die Erstellung von Personenlisten, um die Impfpriorisierung umzusetzen. Diese Aufzählung ließe sich noch sehr lange fort- setzen. Auch wenn wir aufgrund verbindli- cher Vorgaben der Politik keinerlei Einfluss auf die jeweiligen Prozesse hatten und der falsche Adressat waren, haben wir viele Beschwerdeanrufe entgegengenommen und unsere Kund*innen unterstützt, wo es nur ging.
Die Pandemie hat dabei neben der Tatsache, dass wir als Gesellschaft schlecht auf einen solchen Notfall vorbereitet waren, aus mei- ner Sicht vor allem eines sehr deutlich gezeigt: Wir können mit dem Stand der Digitalisierung in unserem Land, insbe- sondere im Gesundheitswesen, nicht zufrieden sein. Es ist bezeichnend, dass sogar über ein Jahr nach Beginn der Pande- mie Gesundheitsämter Daten immer noch per Fax versenden oder dass wir mangels flächendeckend funktionierender elektroni- scher Patientenakten nahezu jede wissen- schaftliche Erkenntnis über die Entwicklung der Pandemie aus Ländern erhalten haben, in denen die Digitalisierung viel weiter fort- geschritten ist, zum Beispiel aus Israel. Wir werden unsere Haltung zum Umgang mit der Nutzung von Daten, zum Verständnis
des notwendigen Datenschutzes und zur Digitalisierung im Gesundheitswesen insge- samt kritisch hinterfragen müssen, wenn wir unser gutes Gesundheitssystem zum Wohl der Versicherten zukunftsfähig weiterentwi- ckeln wollen. Eine weitere Erkenntnis ergibt sich in diesem Zusammenhang: Der Staat sollte nicht selbst in die Rolle des Digitalisie- rers schlüpfen. Oder wie Bundesgesund- heitsminister Spahn es richtigerweise zu Beginn der Legislaturperiode gesagt hat: „Der Staat sollte nicht selbst der Tüftler sein“, sondern sich auf das Setzen der richtigen Rahmenbedingungen fokussieren. Warum? Weil ein Staat niemals so nah an den Kund*innen bzw. Versicherten sein kann, wie es zum Beispiel die Krankenkas- sen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben sind. Digitalisierung nicht konsequent von den Kund*innen aus gedacht, ist zum Schei- tern verurteilt. Zudem wird ein Staat nie- mals so agil, also schnell, agieren können, wie es für die Digitalisierung notwendig ist. Umso mehr stört mich, dass das Bundes- gesundheitsministerium – entgegen seiner eigenen Erkenntnis – gerade beginnt, eigene „Staats-Apps“ wie die „E-Rezept-App“ zu entwickeln.
Die extrem angespannte finanzielle Situa- tion der gesamten gesetzlichen Kranken- versicherung (GKV) ist entgegen der land- läufigen Meinung keine Folge der Corona- pandemie. Der Staat ist hier richtigerweise weitgehend für die zusätzlichen Kosten der Pandemie aufgekommen, zum Beispiel für die ungenutzten Betten in den Krankenhäu- sern, für die Maskenbeschaffung, für die Kosten der präventiven Tests – unabhängig von der Frage, ob all diese Ausgaben in die- ser Höhe notwendig und sinnvoll waren. Die

























































































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